DER OPFERSTEIN AM HEXENTANZPLATZ

Einst trottete ein armer Thalenser zum alten Heidenberg, warf sich vorm altheiligen Opferstein auf die Knie, um sein hartes Los zu beweinen. „Ich armer Tor“, schluchzte er verbittert, „Ach hätte ich doch einen Wunsch frei, nur für mich - nur ein Begehr! Dann wäre ich der glücklichste Mann im Harz.“
Eine kleine silberne Münze legte er in des „Teufels Waschbecken“, strich mit seinen Fingern über die Runen - von denen einige sagen es wären die Kratzspuren des aufgebrachten Teufels - malte die Svastika nach und bat dann mit erhobenen Armen zum Himmel: „Bitte Gott, oder irgendjemand, von mir aus auch der Teufel, erhöre mich. Einen Wunsch - mehr möcht‘ ich nicht!“

Eine Elfe, die in einer der alten Eichen hauste, hatte endlich Mitleid, wohl auch um dem Kopfbrummen vorzubeugen, den das Gezeter der Menschen bei allzu feinfühligen Wesen stets zu verursachen pflegte. Das feine Wesen zeigte sich dem Menschen, dem das Maul vor Erstaunen so weit offenstand, dass Falken darin Kreise hätten ziehen können.
„Mensch“, sagte die Elfe, „hörst du nur auf zu Jammern, sollst du drei Wünsche bekommen!“ „Drei Wünsche? Womit hab‘ ich dich verdient guter Geist? Ich schwör’s – nimmer wieder wird‘ ich dich belästigen!“

Der Manne aus dem "Dorp to dem Tale" ging, nein er schwebte fast nach Hause, rief all seine Lieben zusammen und gemeinsam berieten sie sich, wie denn die drei Wünsche in pures Glück zu verwandeln seien.
„Ein Ziegengespann wünsch ich mir!“, sagte der Bube. „Nein, ich will ein Püppchen zum Spielen.“, widersprach seine Schwester. „Ein Diadem und schöne Kleider!“, begehrte die Dame des Hauses. „Einen Stall voller Vieh!“, war die Antwort des Großvaters. „Einen großen Hof“, „eine Truhe voller Gold“, „immer genug Brot“, „einen Grafentitel“ – unzählige Ideen trafen aufeinander, aber einig wurde man sich nicht!
Nach drei Tagen und drei Nächten des Debattierens ohne gegessen oder geschlafen zu haben, meinte das Eheweib des Suderöders, sie müsste doch zumindest über einen Wunsch bestimmen dürfen, erledige sie doch im Haushalt alle Aufgaben, erziehe die Kinder, versorge das Vieh, pflege den Mann, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

Ja, es war ein guter, wenn auch oft törichter Ehegatte. Er gab der Frau einen seiner drei Wünsche. In ihrem großen Hunger aber sagte sie: „Ach, möge doch eine Wurst durchs Fenster geflogen kommen und sich hier auf den Tisch legen!“ Wie gewünscht, so geschehen. Der erste Wunsch ward töricht verbraucht, aber der Ehegatte ertrug es in stoischer Gelassenheit …, oder doch eher nicht: „Möge dir diese Wurst doch an der Nase wachsen!“, rief er erbost und der zweite gute Wunsch war auch dahin.
Was sollte nun werden? Der Frau wuchs eine meterlange dicke Wurst an der Nase. Sollte man etwa auch den dritten Wunsch verschwenden, um die Wurst wieder wegzuzaubern? Mitnichten! Der Mann nahm sein schärfstes Messer zur Hand und stutzte kurzentschlossen die Nase seiner Frau auf die alte Länge. Doch ihr Zipfel-Zinken wuchs sofort wieder nach. Länger und länger ward die Wurst und schlängelte sich bereits durchs ganze Haus. Wieder schnitt der Suderöder die Wurst von der Nasenspitze und wieder wuchs sie und wollte kein Ende nehmen. Als er ein drittes Mahl sein Messer ansetzte, sagte die Frau: „Schneidest du mir noch einmal die Wurst von meiner Nase, dann schwöre ich beim Himmel, ich schneide dir dein Würstchen …“

Das verstand der Mann und brachte es mit diesem Bild viel lieber übers Herz seinen letzten Wunsch zu opfern. „Möge die Nase meiner Frau wieder ihre alte, zierliche Form bekommen!“, sagte er verzweifelt. Töricht gewünscht – töricht erfüllt. Alle Wünsche waren verbraucht. Aber Hunger leiden musste die Großfamilie nie wieder. Ja, man sagt sogar, deren Nachkommen hätten nach vielen Jahren noch immer so viel Wurst übrig gehabt, um im Ort die erste Fleischerei zu eröffnen.

(WANDERSAGE, die auch von anderen Harzorten erzählt wird, aufgeschrieben von Carsten Kiehne)