Krodo - der unbekannte Harzgott von Bad Harzburg

KRODO ... DAS EINSAME WESEN

 

In alten Zeiten, als die Menschen noch selbstverständlich Tiere und Pflanzen ehrten und selbst meinten, die Dinge wie Sonne und Mond, Steine oder Tautropfen wären lebendig, da gab es im Nordharz eine sonderbare Gestalt: Hoch gewachsen, aufrecht stehend aber größer als ein Mensch, mit Kiemen, Fischhäuten zwischen den Fingern und einem breiten Froschmaul im Gesicht: Der Krötenmann, den man später auch „Großer Mann“ oder „Krodo“ nannte. Dieser Krodo war aber kein gewöhnliches Wesen, er war leicht wie ein Vogel, schnell wie der Wind, konnte tauchen wie ein Fisch und reden wie ein Mensch. Alle Wesen gehorchten ihm, wenn er befahl, doch er brauchte nicht befehlen, weil die Menschen ihn von selbst achteten und als Gott verehrten.

Tausende von Jahren lebte er an der Seite der Menschen und hatte alles, was man sich wünscht: Reichtümer, gewaltige Besitztümer, Ehrerbietung und wahre Freunde. Eines aber fehlte ihm und darum ward das schöne Leben um ihn herum immer unerträglicher für ihn. Sein Herz suchte seine bessere Hälfte. Eine Frau aber fand er nicht, trotz seinem ganzen Golde und obschon ein wahrlich gutes Herz in seiner Brust schlug. Die eine meinte: „Ich will ihn nicht, denn er bleibt immer jung!“, eine andere lehnte seinen Antrag mit den Worten ab: „Durch seine Adern fließt kaltes Blut!“, die Meisten aber sagten: „Wie könnt‘ ich einen Mann mit einem Froschmaul küssen und lieben?“ So blieb er einsam, ward immer trauriger und beschloss eines Tages von dieser Welt zu gehen. Viele Tage lang grub er sich ein eigenes tiefes Loch, verschenkte alle Habe und verabschiedete sich unter Tränen. Doch kein Wort wollte über seine Lippen, Er schaute nur müde in die Gesichter seiner Lieben und verschwand in der unwirtlichen Tiefe. Mit dem Gehen Krodos verschwand auch ein Stück Freunde und Sinnhaftigkeit aus den Herzen der Menschen, das aber sollten sie erst viele hundert Jahre später bemerken.

Tot ist der einst als Gott verehrte Krodo aber nicht. Das vermag man an der Quelle zu erkennen, die auf dem Burgberg ans Licht strömt. Ihr Wasser ist ganz salzig. Es sind die Tränen Krodos, die er noch heute unter Tage weint. Sie sind heilsam, ist doch jede einzelne mit wahrer Liebe gegeben.

(aufgeschrieben von Carsten Kiehne in "SAGENHAFTER NORDHARZ")